Meine Klientinnen und Klienten werden immer jünger. Es kommen Eltern mit ihren 7-jährigen Kindern, die Angst haben, zur Schule zu gehen. Sie fürchten sich etwa davor, wieder einen Punkt Abzug zu bekommen, weil sie nicht gut zugehört oder die Hausaufgaben vergessen haben. Auch von meinen Kindern kenne ich diese Angst. Da stehen mir die Haare zu Berge. Wenn ich auf die Lehrerin oder den Lehrer zugehe und frage, was solche Massnahmen wie Strafpunkte und Strichlisten bewirken sollen, kommt immer die Antwort: „Sie helfen, dass die Regeln eingehalten werden.“ Oke. Darf dann das Kind auch solch eine Liste führen für Lehrpersonen, die sich nicht an die Regeln halten, die sich dem Kind gegenüber respektlos verhalten? Vermutlich nicht. Natürlich nicht! Es ist ja nur ein Kind. Liebe Lehrer: Belohnungs- beziehungsweise Bestrafungssysteme in der Schule wie beispielsweise Strichlisten sollen den Kindern helfen, Disziplin zu erwerben. Aber es ist eine reine Dressurmethode; sie sorgt für Gehorsam oder sogar Abhängigkeit, aber nicht für Disziplin. Wir aber wollen keine gehorsamen Kinder, wir wollen, dass unsere Kinder Mitgefühl, Selbstdisziplin, Einfühlungsvermögen, Resilienz, Frustrations- und Impulskontrolle entwickeln. Das sollte in der Schule gelehrt werden. Belohnen und Bestrafen hingegeben ist eher schädlich. Die Neurobiologie hat herausgefunden, was im Hirn passiert, wenn die Kinder mit solchen Systemen abgerichtet werden: Sie brauchen ständig ein Druckmittel, um von sich aus eine Leistung zu erbringen. Selbst noch im Erwachsenenalter. Wollen wir wirklich eine solche Gesellschaft? Schade. Ich wünschte mir mehr Pädagogen, die über den Tellerrand schauen und verstanden haben, um was es dabei wirklich geht. Davon profitieren wir alle.