Ich erzähle euch heute meine persönliche Geschichte, weil es mir darum geht, all denen Mut zu machen, die jetzt an dem Punkt sind, an dem ich vor 5 Jahren war.
Von fünf Kindern bin ich das zweitjüngste. Mein Vater war ein Mann, der von vielen Selbstzweifeln geplagt wurde, und es gelang ihm nicht, sich davon zu lösen. Im Gegenteil: Er übertrug diese auf uns Kinder. So bekamen wir alle ordentlich seine Glaubenssätze zu hören – und zu spüren. Er suchte Trost in der Kirche und wir wurden ganz streng christlich erzogen. Und wenn man uns mit Gewalt in den Gottesdienst schleppen musste. Deswegen stehe ich Kirchen heute grundsätzlich kritisch gegenüber. Es war eine traumatische Zeit. Eine eigene Meinung durften wir nicht haben, geschweige denn, sie äussern. Was wir auch machten, es genügte nicht. Wer nicht studiert hat, war in seinen Augen dumm. Und ich glaubte ihm. Aber selbst wenn man studiert hatte, genügte es nicht. Dazu musste man perfekt und fehlerfrei sein. Ganz ehrlich: Wer ist das schon? Ich vergesse bis heute nicht, als ein Kunde meines Vaters mich gesehen hat und gefragt hat: «Ach, das ist jetzt diese Tochter, die studiert?» Die Antwort meines Vaters war niederschmetternd: «Nein, das ist Cathrin, die Intelligente lebt in Zürich.»
Das hat sich viele Jahre in meinem Kopf festgesetzt: Ich bin dumm. Ich bin nicht gut genug. Irgendwann sagte ein Lehrer zu mir: «Du Cathrin, wieso sagst du immer von dir, du seist dumm? Du bist doch ein sehr intelligentes Mädchen!» Ich aber glaubte meinem Lieblingslehrer nicht.
So ging es lange Zeit weiter. Ich dachte immer schlechter von mir. Ich lernte immer mehr Menschen kennen, die so waren wie mein Vater. Solche, die andere stark verurteilen, deren Meinung nicht akzeptieren und jähzornig sind. Die Glaubenssätze, die mein Vater auf mich übertragen hat, haben sich immer mehr bestätigt.
Mein Vater besass eine Werbeagentur und ich habe die Grafikerlehre bei ihm begonnen. Es war der Horror: Er fuhr damit fort, mich klein zu machen, bis ich schliesslich durch einen Schicksalsschlag, der von ihm verschuldet war, meinen Job verlor. Um mich besser zu fühlen, machte ich eine Ausbildung und danach eine Weiterbildung nach der anderen. Um mich auch nur annähernd wie jemand zu fühlen. Bis der Zeitpunkt kam, an dem ich glaubte, mich langsam aufzulösen. Ich wusste nicht mehr, wer ich war, wusste nicht, wieso ich überhaupt noch auf dieser Welt bin. Ich hatte das Gefühl, keine Daseinsberechtigung zu haben. Ich war sogar wütend auf den lieben Gott, weil ich fest der Überzeugung war, er hätte sich einen Scherz erlaubt und mich dumm erschaffen. Wieso ausgerechnet ich? Die Wut in mir kam immer mehr hoch. Auf die Welt, auf die Menschheit. Ich wollte nicht mehr sein, aber die Genugtuung wollte ich den Menschen nicht geben, die mich am Boden sehen wollten. Irgendwann sass ich so tief im Loch, dass ich beschloss, mein Leben um 180 Grad zu ändern. Meine innere Rebellin, die schon immer in mir schlummerte, wurde geweckt. Ich war mittlerweile zweifache Mama. Diesen Zustand, sich als niemand zu fühlen, wollte ich nicht mehr länger akzeptieren. Als erstes fing ich an, Menschen, die mir meine Energie raubten und mir nicht mehr guttaten, aus meinem Leben zu verbannen. Ich las zu diesem Thema ein Buch nach dem anderen. Für ein Buch brauchte ich zwei Tage. Ich gab mir selbst die Aufgabe, jeden Tag drei positive Dinge zu notieren, wofür ich dankbar bin. Ich besuchte Kurse und schaute Videos von Coaches und Psychologen auf YouTube. Ich fing intensiv zu meditieren an und brachte mir selbst Hypnose bei. Ein ganzes Jahr lang war ich ziemlich absorbiert, lebte wie in eine Art Blase. Ich saugte alles auf wie ein Schwamm. Es war unglaublich. Auf einmal kamen immer mehr Menschen von aussen, die Rat bei mir suchten. Ich hatte so viel Wissen. Doch was machte ich damit? Ich habe mir selber ein Ziel gesetzt: Sollte es mich nach einem Jahr immer noch unter den Nägeln brennen, würde ich die Ausbildung zum mentalen Gesundheits-Coach machen. Und so kam es. Meinen damaligen Beruf als Massagetherapeutin, den ich über alles liebte und der mir so unendlich viel gegeben hat, wollte ich nicht aufhören. Auch meinen Beruf der Fitnesstrainerin, der viele Tränen und Wutausbrüche gekostet hat, ich ihn aber trotzdem gerne ausübte, wollte ich nicht ganz aufgeben. Meine Coaching-Ausbildnerin sagte zu mir: «Cathrin, du hast so tolle Berufe gelernt, die alle etwas gemeinsam haben. Mach was damit!» Es war ein Weckruf. Und das tat ich auch. Heute arbeite ich immer kombiniert und kann das Beste aus all meinen Kompetenzen herausnehmen. Ich kann für jedes Problem eine individuelle Lösung anbieten. Ich kenne die besten Werkzeuge, die ich auf meinem Weg wieder Richtung Leben gesammelt habe, und konnte schon sehr viele Menschen auf ihrem Weg zu sich selbst begleiten. Wenn ich heute zurückdenke, wie ich damals mit mir umgegangen bin, schnürt es mir immer noch die Kehle zu. Heute habe ich mich mit mir versöhnt und behandle mich gut. Ich bin meine beste Freundin. Was auch noch passiert ist: Ich habe ganz viele tolle Menschen kennengelernt, die mich so nehmen, wie ich bin. Und wenn jemand etwas Schlechtes über mich sagt, bleibe ich entspannt, weil ich meinen Wert und meine Qualitäten kenne und sie auch niemanden unter Beweis stellen muss, ausser mir selbst. Diese negativen und verurteilenden Menschen verbanne ich ziemlich schnell aus meinem Leben. So schaffe ich Platz für diejenigen, die mir guttun. Ich fühle mich heute so stark mit mir verbunden wie noch nie in meinem ganzen Leben. Und sollte ich mich je wieder ein Stück von mir entfernen, weiss ich ganz genau, wie ich mich wiederfinde. Mein Fokus hat sich verändert. Meine Kinder und mein Mann haben ganz stark davon profitieren können, nur alleine durch meine eigene Entwicklung. Denn ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein, wie mich andere gerne hätten.
Und was ist mit meinem Vater passiert? Ich habe heute ein gutes Verhältnis zu ihm, wenn ich ihn mal sehe. Ich habe ihm verziehen, weil ich mir verziehen habe. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, weil er mich nicht mehr triggern kann, da ich meinen eigenen Wert kenne und ich mich in voller Grösse aufgerichtet habe. Und wenn er es mal probiert, dann spiegle ich ihn gleich zurück. Es ist mir völlig gleichgültig geworden, wenn ihm was nicht passt. Denn es ist mein Geburtsrecht, da zu sein und für mich einzustehen. Ich bin der Schmied meines eigenen Glücks geworden.
Wieso ich euch meine Geschichte überhaupt erzähle? Wenn ich mit meinem Artikel auch nur einem Menschen helfen kann zu verstehen, dass, wenn man mit seinem inneren Kind Frieden schliesst, sich auch alles im Äusseren verändern wird, habe ich mein Ziel erreicht. Und wenn du nicht weisst, wie das geht, nehme ich dich an der Hand und zeige es dir. Du bist nicht allein. Alles, was du dafür brauchst, ist schon bereits in dir.